Interview mit Bernhard Vogel zu 70 Jahren Bundesrat "Dort ging es bisweilen hochdramatisch zu"

Bernhard Vogel spricht auf der 582. Sitzung des Bundesrates am 06. November 1987

© Bundesrat

Dr. Bernhard Vogel ist früherer Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz und Thüringen. Beide Amtszeiten brachten auch den Vorsitz des Bundesrates mit sich. Im Interview blickt er zurück auf seine zwei Präsidentschaften und vor allem auf die Arbeit der Länderkammer in Bonn.

Sie waren zweimal Bundesratspräsident. Was haben Sie beim zweiten Mal anders gemacht?

Grundsätzlich hatte ich beim zweiten Mal ein bisschen mehr Übung. Als ich das erste Mal Bundesratspräsident war, war Walter Scheel Bundespräsident. Aufgabe des Bundesratspräsidenten ist es unter anderem, den Bundespräsidenten bei Abwesenheit zu vertreten. So hatte ich die Aufgabe, den heutigen japanischen Kaiser in Bonn zu empfangen, Akkreditierungsschreiben von Botschaftern entgegenzunehmen. Richard von Weizsäcker hingegen musste ich kaum vertreten in meiner zweiten Präsidentschaftszeit.

In Bonn waren Bundestag und Bundesrat in einem Gebäude. Fühlten sich die Bundestagsabgeordneten als etwas Besseres?

Nein, viele Politiker wären gerne einmal Landesminister und Mitglied des Bundesrates geworden.

War die räumliche Nähe beider Verfassungsorgane von Vorteil?

Unbedingt. Man konnte sich auf den Fluren begegnen und austauschen. Für das politische Klima war die Nähe gut. Als Konrad Adenauer von seinem Amt als Bundeskanzler zurücktrat, wurden ihm im Trakt des Bundesrates zwei Büroräume angeboten. Ich erinnere mich, dass er gerne den einen oder anderen jungen Abgeordneten-Kollegen spontan zum Tee einlud. So etwas wäre in Berlin nicht denkbar.

Bernhard Vogel im Bundesrat bei der 441. Sitzung am 3. Dezember 1976

Bernhard Vogel im Bundesrat bei der 441. Sitzung am 3. Dezember 1976

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In Berlin ist alles viel großzügiger.

Das stimmt. Die historische Enge von Bonn hat ein Ende, die mit der Erweiterung durch die neuen Länder nach der Wiedervereinigung zunächst zugenommen hatte. In Berlin ist alles viel repräsentativer, aber eben auch distanzierter.

Und wo wurde es in Bonn hoch-politisch?

Wichtiger Ort im Bundesrat für die Ministerpräsidenten war das berühmte Zimmer 13 neben den Büros des Bundesratspräsidenten. Dort ging es bisweilen hochdramatisch zu. Denken Sie beispielsweise an die Ostverträge Anfang der 70er Jahre. Es galt, Dissonanzen und Differenzen auszutragen. Manchmal gelang es dort, schwerwiegende Entscheidungen zu fällen, auch wenn sich der Sitzungsbeginn des Bundesrates verzögerte.

Unter den Ministerpräsidenten befanden sich politische Schwergewichte wie Franz Josef Strauß. Wurde in Zimmer 13 gebrüllt?

Nein. Es wurde in dem dem Bundesrat eigenen, höflichen Ton miteinander gesprochen.

War der Bundesrat eine gute politische Schule?

Kaum einer außer Angela Merkel wurde Kanzler oder Kanzlerkandidat, ohne vorher Ministerpräsident gewesen zu sein. Denken Sie an Willy Brandt, Oskar Lafontaine, Gerhard Schröder, Helmut Kohl.

Bernhard Vogel im Präsidium der 441. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 1976 in Bonn

Bernhard Vogel im Präsidium der 441. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 1976 in Bonn

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Dem Bundesrat sagt man nach, dass die Mehrheitsfindungen hin und wieder wie bei einem Kuhhandel ablaufen. Wo fand das statt?

Kuhhandel würde ich es nicht nennen. Man ist in der Politik immer auf Kompromisse angewiesen und um sie muss gerungen werden. Ohne Mehrheiten kommt kein Gesetz zustande.

Wo haben die Ministerpräsidenten rund um die Sitzungstage in Bonn gewohnt?

Wenn wir bereits am Vortag anreisten, das hing von der Bedeutung der Tagesordnung der jeweiligen Sitzung ab, wohnten wir in unseren jeweiligen Landesvertretungen.

Die lagen alle dicht beieinander. Haben Sie sich am Vorabend der Sitzungstage in lockerer Runde getroffen?

Oh, ja, zu wichtigen Verhandlungen, aber auch zum lockeren Gespräch. Zu Zeiten von Oskar Lafontaine haben wir uns am liebsten in der saarländischen Landesvertretung versammelt, weil er den besten Koch der Republik hatte. Wir waren aber auch oft in der rheinland-pfälzischen, häufig auch in der baden-württembergischen Landesvertretung.

Stand 28.06.2019

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