Föderalismus nach dem 2. Weltkrieg Die Neugründung der Länder

Militärische Besatzungszonen Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg

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Mai 1945. Das Deutsche Reich gibt es nicht mehr. Es gibt nur noch ein geografisches Gebiet: Deutschland in den Grenzen von 1937 – mit Fragezeichen im Saarland und an der Ruhr und großen Verlusten im Osten. Größer als die Fragen über die Grenzziehung sind die Fragen darüber, was innerhalb dieser Grenzen zu geschehen hat. Die Vorstellungen der Siegermächte klaffen auseinander, das politische Klima wird frostig.

Der Riss zwischen westlichen Demokratien und Kommunismus geht durch die Welt, durch Deutschland, durch Berlin, jener in der sowjetischen Zone schwimmenden Vierzonen-Insel. Es gibt noch keinen deutschen Staat, da gibt es schon wieder Länder: Im Juli 1945 entstehen in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) die ersten, bis 1947 werden die Länder im Westen gegründet.

Neustart – Aber wie?

Zum ersten Mal seit fast eintausend Jahren gibt es keinen deutschen Staat mehr, nur die Länder. Wer also regiert das, was von Deutschland übrig blieb? In Konferenzen verhandeln die Präsidenten und Außenminister der Siegermächte über die Zukunft. An Ort und Stelle entscheiden die Militärgouverneure der Besatzungszonen. Wahlen müssen warten, aber nicht lange. 1946 und 1947 finden sie statt, die ersten im Oktober 1946 in der Sowjetischen Besatzungszone – dort werden sie die letzten demokratischen Wahlen sein bis 1990. Die Sieger beordern Deutsche in die Verantwortung zurück. Im Juli 1948 sind die neuen Ministerpräsidenten der Länder aufgefordert, gemeinsam ein künftiges Staatsgebilde zu skizzieren.

Sitzung der Volkskammer der DDR

Sitzung der Volkskammer der DDR

© Bundesarchiv

Ganz gemeinsam ist das Modell jedoch nicht: Schon hier sind die östlichen Kollegen nicht mehr dabei – in der SBZ organisiert die Sozialistische Einheitspartei einen zentralistischen Staat mit einer schwachen Länderkammer, de facto ein Ausführungsorgan der Beschlüsse der Volkskammer. Während die Länder im Osten Verwaltungseinheiten darstellen, werden sie im Westen zu teilsouveränen Gliedstaaten, die im Bundesrat fundamentale Aufgaben für das Ganze übernehmen. Im Mai 1949 wird die Bundesrepublik (BRD) von den westlichen Ländern gegründet, im Oktober bildet sich die Deutsche Demokratische Republik (DDR).

Aus Alt mach Neu: Die Länder bleiben bestehen

16 Länder befinden sich seit 1947 in Deutschland. Jedes leidet anders unter den Folgen des Krieges. Der Norden wird geflutet von Flüchtlingen und Vertriebenen. Schleswig-Holstein hofft daher auf einen starken Gesamtstaat, der ihm die Lasten erleichtert. Dem Süden geht es besser. Bayern pocht auf seinen Status als Freistaat und streitet für ein föderales Staatswesen – die Interessen der Länder könnten kaum unterschiedlicher sein. Hessen muss sich damit arrangieren, dass Gebiete links des Rheins verloren sind.

Die Länder nach dem Zweiten Weltkrieg

Die Länder nach dem Zweiten Weltkrieg

© Bundesrat

Rheinland-Pfalz sieht sich als Land aus der Retorte, bestehend aus Landesteilen, die sich niemals binden wollten. Dennoch verändern sich die Grenzen nicht, als die Besatzungsmächte 1948 eine groß angelegte Ländergrenzenreform anbieten – mit der vagen Empfehlung, die Länder mögen „nicht zu groß und nicht zu klein“ sein. Die Scheu vor einem Dominoeffekt der Ansprüche siegt: Die Neu- oder Wiederbegründung der Länder 1945/46 hat viele Länder befriedigt. Der Status quo erscheint als annehmbarste Lösung.

Aus drei mach eins: Baden-Württemberg

Ein vereinter Südweststaat oder die Wiederherstellung der früheren Länder Baden und Württemberg samt Hohenzollern – das sind zu Beginn der 1950er Jahre die beiden Alternativen, vor denen die Politiker und Einwohner aus Baden, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern stehen. Von einer Zusammenlegung versprechen sie sich die Stärkung des südwestlichen Wirtschaftsraums und des Einflusses der Region auf bundespolitischer Ebene.

Plakate werben für die Zusammenlegung der drei Südwestländer.

Plakate werben für die Zusammenlegung der drei Südwestländer.

© Bundesrat

Die Vorgeschichte: Die Länder waren 1945 nach Kriegsende willkürlich geteilt worden, französische und amerikanische Besatzungsmächte erhoben Ansprüche. Historische Grenzen ignorierten sie: Die Amerikaner fassten ihre Besatzungszone zu Württemberg-Baden zusammen. Die Franzosen bildeten aus den ihnen bleibenden Resten der Region Württemberg-Hohenzollern und Baden.

Ein künstliches Gebilde, das alle Einwohner nach der Eingliederung in die Bundesrepublik beseitigen wollen. Nur auf ein neues Gebiet können sich die Verhandlungspartner nicht einigen – die Badener fürchten, von den Schwaben dominiert zu werden und umgekehrt. Schließlich hilft das Grundgesetz: Nach Artikel 29 ist die Neugliederung des Bundesgebiets durch Volksabstimmungen möglich. Um trotz regionaler Vorbehalte und Ängste eine Abstimmung zu ermöglichen, werden die drei Länder in vier Abstimmungsgebiete zerschnitten: Nord- und Südbaden, Nordwürttemberg sowie Südwürttemberg-Hohenzollern.

Am 9. Dezember 1951 stimmt eine Mehrheit von 69,7 Prozent für den Südweststaat. Die Wähler in beiden Teilen Württembergs sind mit 93 Prozent für die Fusion, in Nordbaden stimmen 57 Prozent dafür – in Südbaden sind es jedoch lediglich 38 Prozent. Eine Mehrheit in drei von vier Bezirken reicht aber für die Neugründung: Die murrenden Badener müssen sich der Eingliederung fügen. Knapp vier Monate später entsteht Baden-Württemberg.

Die drei Länder, aus denen später Baden-Württemberg wurde: Württemberg-Baden, Württemberg-Hohenzollern und Baden

Aus Württemberg-Baden, Württemberg-Hohenzollern und Baden wurde Baden-Württemberg

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Vor dem Bundesverfassungsgericht erstreitet sich der badische Heimatbund später das Recht auf eine erneute Abstimmung über die Wiederherstellung Badens. Ohne Erfolg: Im Juni 1970 votieren 81,9 Prozent der Badener für den Verbleib in Baden-Württemberg. Das drittgrößte deutsche Land ist das einzige, das durch eine Volksabstimmung legitimiert wurde.

Französisch, autonom, deutsch: Das Saarland auf Identitätssuche

1954 stehen die Westdeutschen in der Qualifikation zur Fußball-WM einem außergewöhnlichen Gegner gegenüber: Die Nationalmannschaft des Saarlandes fordert sie heraus. Zu diesem Zeitpunkt ist das Land weitgehend autonom. Nach dem Zweiten Weltkrieg steht das Gebiet zunächst unter französischer Besatzung und wird zum Protektorat ernannt. Drei Alternativen bieten sich: Der Anschluss an Frankreich, an die Bundesrepublik oder die Bildung eines eigenständigen Staats. Nachdem die Alliierten für die Länder in ihren Besatzungszonen demokratische Verfassungen eingerichtet haben, wird am 23. Mai 1949 auch eine Kommission für das Saarland eingerichtet.

Briefmarke der französisch besetzten Zone nach dem 2. Weltkrieg

Briefmarke der französisch besetzten Zone nach dem 2. Weltkrieg

© public domain

Im November verabschiedet sie den Gesetzestext, das Saarland wird zu einem teilautonomen Staat mit parlamentarischer Regierungsbildung, eigener Währung und eigener Staatsbürgerschaft erklärt. Die Zukunft ist gegründet auf „den wirtschaftlichen Anschluss des Saarlandes an die französische Republik und die Währungs- und Zolleinheit mit ihr“ heißt es in der Verfassung.

1954 einigen sich die Bundesrepublik und Frankreich auf ein Statut, das die Zukunft des Saarlandes regeln soll. Es sieht die Europäisierung des Landes unter Beibehaltung der französisch-saarländischen Wirtschafts- und Währungsunion vor. Ziel ist, das Saarland zur Kernzelle Europas zu machen und die zentralen Verwaltungseinrichtungen dort unterzubringen. Der Widerstand gegen Frankreich wächst jedoch immer weiter. Die Opposition macht Stimmung gegen das Statut: Das Land ist geprägt von den schlechten Erfahrungen der Vergangenheit. Die saarländische Bevölkerung fühlt sich unter drückt, pocht auf demokratische Grund-rechte, sieht immer mehr Gemeinsamkeiten mit Westdeutschland und immer weniger mit Frankreich.

Wappen des Saarlandes.

Wappen des Saarlandes.

© Bundesrat

Das zeigt sich in der Volksabstimmung am 23. Oktober 1955: Zwei Drittel der Saarländer stimmen gegen das Saarstatut. Frankreich gibt nach. Im Oktober enden die deutsch-französischen Verhandlungen über die Angliederung des Saarlandes an die BRD mit der Unterzeichnung des Saar-Abkommens. Zum Jahresbeginn 1957 wird das Saarland ein politischer Teil der Bundesrepublik, zweieinhalb Jahre später wird es auch wirtschaftlich eingegliedert.

Stand 28.06.2019

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