Albrecht regierte so lange wie kein anderer Ministerpräsident in Niedersachsen. Er wurde 1976 nach dem Rücktritt seines Vorgängers Alfred Kurbel (SPD) überraschend mit Hilfe zweier Stimmen aus dem Lager der SPD ins Amt gewählt. In den folgenden Jahren erreichte die CDU in Niedersachsen hohe Popularitätswerte und holte bei der Landtagswahl von 1982 sogar mehr als 50 Prozent.
In den 14 Jahren seiner Regierung setze sich Albrecht für die Entwicklung der ländlichen Räume ein und reduzierte die Nettoneuverschuldung Niedersachsens. In der Medienpolitik drängte er die Dreiländeranstalt NDR zu mehr Regionalisierung und ermöglichte 1983 das Privatfernsehen in seinem Bundesland. Auch der Ortsname Gorleben ist eng mit Albrecht verbunden. Seine Regierung genehmigte dort die Erkundung des Salzstocks für eine Endlagerung von hochradioaktivem Atommüll, verhinderte aber den Bau einer Wiederaufbereitungsanlage am selben Standort. Breite Anerkennung erfuhr Albrecht 1979 für die Aufnahme von 1000 vietnamesischen Flüchtlingen, den so genannten „Boat People“.
Wegbereiter der Entspannungspolitik
Auch in der Bundespolitik hat Albrecht Spuren hinterlassen. Wenige Wochen nach seiner Wahl zum Ministerpräsidenten hatte der Bundesrat im März 1976 über das von der Bundesregierung (SPD/FDP) ausgehandelte Deutsch-Polnische Renten- und Entschädigungsabkommen abzustimmen. Mit dem Machtwechsel in Niedersachsen wäre es den Unions-geführten Ländern möglich gewesen, das Gesetz im Bundesrat scheitern zu lassen. Dass die Länder in letzter Minute das hoch umstrittene Abkommen geschlossen verabschiedeten, wird im Wesentlichen Albrecht zugeschrieben. Ihm gelang es in Verhandlungen mit Außenminister Hans-Dietrich Genscher, die Verträge so nachzubessern, dass auch die unionsgeführten Länder zustimmen konnten.
Seine hohe Popularität brachte 1979 den niedersächsischen Ministerpräsidenten sogar als Kanzlerkandidat ins Gespräch. Die Unionsfraktion im Bundestag entschied sich jedoch dagegen und nominierte CSU-Chef Franz Josef Strauß.
Verfechter der Subsidiarität
Vom 1. November 1985 bis 31. Oktober 1986 stand Albrecht dem Bundesrat vor. In seiner Rede zum Antritt der Präsidentschaft zeigte er sich zutiefst überzeugt von den Vorteilen der föderativen Struktur des deutschen Staatswesens.
![Bundesratspräsident Albrecht 1985 während Antrittsrede Bundesratspräsident Albrecht 1985 während Antrittsrede](/SharedDocs/bilder/DE/galerien/archiv/2014/20141215-albrecht/04.jpg;jsessionid=6B210F2BCDFC0DA73C8D50BE757C48C7.live532?__blob=normal&v=4)
Bundesratspräsident Dr. Ernst Albrecht während seiner Antrittsrede im November 1985
© Bundesrat
Sie sei zur Lebensform geworden, die den Bürgern in fast allen Lebensbereichen begegne. Gleichzeitig sprach er von einer drohenden Entfremdung zwischen Staat und Bürgen und übte Kritik an der starken Verflechtung von Bundes- und Länderaufgaben. "In einem Bundesstaat müssen klare Verantwortlichkeiten herrschen. Politische Verantwortung und finanzielle Kompetenz müssen übereinstimmen" mahnte er mit Blick auf das ab Ende der 60er-Jahre eingeführten System der Mischfinanzierung. Am Ende seiner Präsidentschaft sah Albrecht erste Erfolge seiner Bemühungen, vor allem bei der Entflechtung im Bereich der Städtebaufinanzierung. Er blieb aber ein Mahner für mehr finanzielle Eigenständigkeit der Länder.
Ernst Albrecht schied nach der Landtagswahl im Mai 1990 aus dem Ministerpräsidentenamt. Sein Nachfolger wurde Gerhard Schröder. Albrecht zog sich ganz aus der Politik zurück. Nach der von ihm lange ersehnten Wiedervereinigung übernahm er erneut Verantwortung im Bereich der Wirtschaft und leitete die Eisen- und Hüttenwerke Thale AG bei Halle. Die letzten Jahre verbrachte er auf seinem Gut in Beinhorn bei Hannover, wo er am 13. Dezember 2014 verstarb.