Körperverletzung oder religiöse Pflicht?

Skalpell und Schere

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Mit seinem Urteil vom 7. Mai 2012, nach dem die religiöse Beschneidung eines minderjährigen Jungen eine rechtswidrige Körperverletzung darstellt, hat das Landgericht Köln für heftige Reaktionen gesorgt. Die Bundesregierung möchte mit einem Gesetzentwurf, den sie den Ländern zur ersten Stellungnahme vorlegt, die entstandene Rechtsunsicherheit beseitigen.

Der Bundesrat befasst sich mit den Plänen der Bundesregierung in seiner nächsten Plenarsitzung am 2. November 2012 im sogenannten Ersten Durchgang.

Bisher unbestrittene Rechtspraxis

Ausgangspunkt der entstandenen rechtlichen Verunsicherung vieler Eltern und der medizinischen Praxis ist die Auffassung der Kleinen Strafkammer, dass die Beschneidung der Vorhaut eines minderjährigen (hier vierjährigen) Jungen, die mit Einwilligung der sorgeberechtigten Eltern aus religiösen Gründen vorgenommen wurde, eine rechtswidrige Körperverletzung im Sinne des Strafgesetzbuches darstellt. Die Einwilligung der Eltern sei unbeachtlich, weil die Beschneidung entgegen den Anforderungen des Kindschaftsrechts nicht dem Kindeswohl diene.

Strafgesetzbuch

Körperverletzung oder religiöse Pflicht?

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Dieses Urteil hat allgemein zu erheblichen Diskussionen geführt, da in der Rechtspraxis bisher unbestritten war, dass Eltern grundsätzlich auch in eine religiös motivierte Beschneidung (Zirkumzision) rechtswirksam einwilligen können.

Nach dem Kölner Richterspruch haben viele Krankenhäuser angekündigt, derartige Eingriffe vorerst nicht mehr durchzuführen.

Problematische Zwangslage

Hierdurch sind viele gläubige Menschen in einen schwierigen Zielkonflikt geraten, da neben medizinischen Ursachen hauptsächlich religiöse Gründe Anlass für Zirkumzisionen sind. Die Beschneidung hat vor allem im Judentum und Islam große religiöse Bedeutung. Im Judentum steht sie symbolisch für den Bund zwischen Gott und dem jüdischen Volk und gilt als bindendes Gebot von höchster Bedeutung. Die Grundlage findet sich in der Tora. Auch im Islam gilt die Beschneidung bei Sunniten und Schiiten als islamische Pflicht beziehungsweise empfohlene Tradition und gehört zu den Glaubensüberzeugungen der Muslime.

Gesetzentwurf soll für Klarheit sorgen

Arzt im Gespräch

Körperverletzung oder religiöse Pflicht?

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Der von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwurf soll für Rechtssicherheit sorgen und die Konfliktlage der betroffenen Eltern auflösen. Daher stellt er klar, dass die Eltern grundsätzlich in die Beschneidung ihres Sohnes einwilligen können, wenn diese nach den Regeln der ärztlichen Kunst vorgenommen wird. Dazu gehört allerdings eine wirkungsvolle Schmerzbehandlung. Auch von Religionsgemeinschaften vorgesehene Beschneider sind in den ersten sechs Monaten nach der Geburt berechtigt, die Eingriffe vorzunehmen.

Ausschüsse wollen Anwendungsproblemen vorbeugen

Der Rechts- und der Gesundheitsausschuss empfehlen dem Bundesrat, zu dem Gesetzentwurf Stellung zu nehmen. Sie wollen im weiteren Gesetzgebungsverfahren aus ihrer Sicht noch offene Fragen im Zusammenhang mit Beschneidungen klären, die nicht von Ärzten vorgenommen werden. Hierbei geht es ihnen um die Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe "Regeln der ärztlichen Kunst" und "wirkungsvolle Schmerzbehandlung". Beide Ausschüsse betonen, dass sie die religiösen Rechte nicht infrage stellen, sondern lediglich späteren Anwendungsproblemen des Gesetzes vorbeugen wollen. Die anderen beratenden Ausschüsse erheben gegen den Gesetzentwurf keine Einwendungen. Der Bundesrat entscheidet über den Inhalt seiner Stellungnahme am 2. November 2012.

Stand 24.10.2012

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