Bundesratspräsidentin spricht zur Vereidigung des Bundespräsidenten Eine Amtszeit für Freiheit und Verantwortung

- Es gilt das gesprochene Wort -

Sehr geehrte Herren Präsidenten,
Exzellenzen,
meine sehr geehrten Herren und Damen,

diese Stunde bietet die wunderbare Gelegenheit, unserem neuen Präsidenten Frank-Walter Steinmeier die besten Wünsche mit auf den Weg zu geben und unserem scheidenden Präsidenten Joachim Gauck von Herzen Danke zu sagen.

Lieber Herr Dr. Steinmeier, im Namen des Bundesrats und auch persönlich darf ich Ihnen sehr herzlich zu Ihrer Wahl zum Bundespräsidenten gratulieren. Wir freuen uns auf Sie als zwölften Präsidenten der Bundesrepublik Deutschland!

Sehr geehrter, lieber Präsident Gauck,

Sie haben in den letzten fünf Jahren mit Ihrer klaren und herzlichen Art das Vertrauen der Menschen hierzulande und weit über unsere Grenzen hinaus gewonnen.

Im besten Sinne haben Sie gezeigt, was die Kraft des klugen Wortes vermag. Sie haben so dem Amt des Bundespräsidenten im In- und Ausland großes Ansehen und Würde verliehen. Dafür gebührt Ihnen unser aller Dank!

Sehr geehrter Herr Gauck,

schon als Sie das höchste Staatsamt übernahmen, bestimmte das Wort Krise die politische Agenda und das Lebensgefühl der Menschen. Die Folgen der Finanzmarktkrise und die enormen Staatsschulden mehrerer europäischer Länder nährten massive Zweifel am Projekt Europa.

Kann die Europäische Union wirklich die Herausforderungen einer globalisierten Welt besser bewältigen als ein Nationalstaat allein?

Ihre Antwort, lieber Herr Bundespräsident, war eindeutig, als Sie in diesem Hohen Hause Ihre Antrittsrede hielten.

Sie sagten: „Wir wollen mehr Europa wagen.“

Damals haben wir uns wohl alle noch nicht vorstellen können, wie sehr ein freies und solidarisches Europa tatsächlich unter Druck geraten würde.

Heute erinnern wir in besonderer Weise an die Opfer der Terroranschläge in Brüssel, die vor genau einem Jahr durch Selbstmordattentäter des „Islamischen Staats“ am Flughafen und im U-Bahnhof Maelbeek getötet wurden. Wir sind als Europäer gefordert, alles zu unternehmen, um Terror und Gewalt zu verhindern und unsere Werte zu verteidigen!

Umso wichtiger scheint mir, was Sie uns, verehrter Präsident Gauck, in Ihrer großen Europarede ein knappes Jahr später mit auf den Weg gegeben haben:

„Europäische Identität definiert sich nicht durch negative Abgrenzung vom anderen. Europäische Identität wächst mit dem Miteinander und der Überzeugung der Menschen, die sagen: Wir wollen Teil dieser Gemeinschaft sein, weil wir die gemeinsamen Werte teilen.“

Mit Sorge beobachten wir, dass heute auch in Deutschland populistische Kräfte stark werden, die einem neuen Nationalismus das Wort reden, die die Geschichte als Siegergeschichte schreiben wollen und gegen alles Fremde hetzen.

Aber das wollen die Menschen mehrheitlich nicht! Die Wahl in den Niederlanden war ein klarer Sieg gegen Fremdenfeindlichkeit und für Europa!

Sie, verehrter Herr Gauck, haben populistischen Hass stets einen „Ansporn“ genannt, noch entschiedener für die demokratische Freiheit einzutreten.

Diese Leidenschaft für die Freiheit entspringt Ihrer Erfahrung von massivem Unrecht, von Unfreiheit und Enge, die Sie in der DDR erlebt haben. Daraus haben Sie den Trotz eines evangelischen Pastors entwickelt, der als Bürgerrechtler in der Friedlichen Revolution die Menschen begeistert hat. Sie waren Abgeordneter der ersten frei gewählte Volkskammer der DDR und mit der Wiedervereinigung Mitglied des Deutschen Bundestages – und haben als Beauftragter der Stasi-Unterlagenbehörde wesentlich dazu beigetragen, die Gewalt des DDR-Staates aufzudecken.

Mit all Ihrer Kraft kämpfen Sie gegen Vergessen und für Demokratie.

Es bleibt das Besondere Ihrer Präsidentschaft, dass wir mit Ihnen noch einmal das Geschenk der deutschen Einigung, die große Bedeutung freier Wahlen und den Geschmack von Freiheit erleben durften. Ja, dass wir selbst noch einmal staunen durften über das „Wunder der Demokratie“. Sie haben das kostbare Gefühl von Befreiung mit uns geteilt – und mit Ihrer Begeisterung auch uns bewegt.

Wir brauchen diese demokratische Leidenschaft. Der Wert der Freiheit darf nicht durch Gewöhnung verkümmern. Wir dürfen die Kraft der Emotionen nicht denen überlassen, die unsere offene Gesellschaft bekämpfen!

Sehr geehrter Herr Präsident Gauck,

auch im höchsten Amt des Staates haben Sie Schwieriges offen ausgesprochen und damit Debatten angestoßen, etwa als Sie forderten, die Bundesrepublik solle sich in internationalen Konflikten, vor allem bei der Krisenprävention, – ich zitiere Sie – „früher, entschiedener und substantieller einbringen“.

Wenn Sie so die Macht des Wortes nutzten, haben nicht alle Beifall geklatscht. Für Sie aber ist das offene Wort Ausdruck der Überzeugung, dass Freiheit immer auch Verpflichtung bedeutet.

„Die Freiheit der Erwachsenen heißt Verantwortung.“ – Dieser Satz, so wünschen Sie sich, möge mit Ihnen verbunden bleiben.

Verantwortung zu übernehmen ist besonders wichtig, wenn es keine vorgezeichneten Wege gibt. Vieles ist derzeit im Umbruch. Sie haben im Blick auf die digitale Revolution sogar von einem „Epochenwechsel“ gesprochen.

Im Umbruch ist auch unsere Gesellschaft, die sehr viel pluraler geworden ist. Sie haben uns dazu aufgefordert, diese Vielfalt als Reichtum zu begreifen. Hartnäckig und charmant werben Sie für ein gutes Miteinander – ohne zu verschweigen, dass Vielfalt anstrengend ist.

In Ihrer Abschiedsrede haben Sie zudem darauf hingewiesen, dass die entscheidende Trennlinie in unserer Demokratie nicht zwischen Alteingesessenen und Neubürgern oder zwischen Christen, Muslimen, Juden und Atheisten verläuft, sondern zwischen Demokraten und Nicht-Demokraten.

Meine Herren und Damen,

wir müssen also alles tun, um unsere Demokratie stark zu machen! Mit unserer föderalen Ordnung haben wir alle Chancen dazu. Unser föderaler Staat achtet die Verschiedenheit der Lebensverhältnisse, ohne ihre Gleichwertigkeit aus dem Blick zu verlieren: Menschen in Berlin-Kreuzberg beschäftigt ja anderes als Menschen in der Eifel. Und die See in Rostock prägt das Gemüt anders als die Berge in Bayern oder die Weinberge in Rheinland-Pfalz.

Wir sind verschieden, aber wir gehören zusammen. Wir gehören zusammen und wir stehen zusammen.

Das haben Sie, lieber Herr Präsident Gauck, in den vergangenen Jahren immer wieder betont. Ich möchte das bekräftigen: „Zusammen sind wir Deutschland!“

Sehr verehrter Herr Präsident Gauck,

mit dem Klima der See kennen Sie sich bestens aus. Den scharfen Gegenwind von Machthabern haben Sie in der DDR mehr als einmal gespürt.

Und als elfter Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland mussten Sie so manches Mal gegen ein Klima der Perspektivlosigkeit ankämpfen.

Das ist Ihnen ohne Zweifel gelungen. Ich glaube, ich darf sagen: Sie haben mit Ihrer Leidenschaft für Freiheit und Demokratie unseren Verstand und unsere Herzen erobert! Ich danke Ihnen für Ihren herausragenden Dienst an der Bundesrepublik Deutschland.

In diesen Dank schließe ich Sie, sehr verehrte Frau Schadt, ausdrücklich ein. Sie waren die starke Frau an der Seite unseres Bundespräsidenten. Und Sie haben selbst die Menschen auf Ihre warmherzige Art angesprochen und stark gemacht – in der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung, als UNICEF-Schirmherrin oder in der Elly-Heuss-Knapp-Stiftung, um nur drei Beispiele zu nennen.

Auch wenn unsere Verfassung das Amt noch nicht kennt: Sie waren in den vergangenen fünf Jahren unsere kluge und gewinnende First Lady. Dafür danke ich Ihnen sehr herzlich!

Lieber Herr Bundespräsident Steinmeier,

Ihr Vorgänger hat davon gesprochen, dass die Zeiten rau sind und dass unser vereinigtes Deutschland auch international größere Verantwortung übernehmen muss.

Es ist ein Glücksfall, dass mit Ihnen ein Präsident ins Amt kommt, der Deutschland auch aus dem Blickwinkel anderer Nationen kennengelernt hat und der dabei gezeigt hat, dass man selbst in schwierigsten Konflikten wie im Iran oder in der Ukraine mit Beharrlichkeit und großer Geduld etwas für die Menschen erreichen kann.

In den letzten Wochen haben Sie immer wieder leidenschaftlich daran erinnert, wie wenig selbstverständlich ist, was wir hier in unserem Rechtsstaat selbstverständlich genießen – der Schutz des Lebens, die gleiche Würde aller Menschen, Meinungs- und Gewissensfreiheit, eine freie Presse, soziale Sicherheit.

Sie lenken damit unseren Blick auf die Möglichkeiten, die Deutschland bietet. Demokratie verträgt in Ihren Augen keine Resignation. Sie braucht entschlossene Demokraten, die sich engagieren und die sich auch nicht aufs Glatteis führen lassen, wenn gefühlte Wahrheiten an die Stelle überprüfter Fakten treten.

Lieber Präsident Steinmeier,

ich bin sicher, Sie treffen den Nerv der Zeit, wenn Sie den Menschen Mut machen und die Zuversicht vermitteln, dass wir unsere Aufgaben meistern können.

Sie werden das zusammen mit Ihrer Frau tun.

Liebe Frau Büdenbender,

Sie stellen dafür Ihren Beruf hinten an. Ich danke Ihnen beiden dafür, dass Sie sich so in den Dienst unseres Landes stellen.

Meine Herren und Damen,

in den nächsten Jahren sind wir in besonderem Maße aufgerufen, für unsere offene Demokratie einzutreten, damit auch unsere Kinder und Enkel in einem Deutschland des guten Miteinanders und in einem freien, solidarischen Europa leben können.

Ich wünsche Ihnen, lieber Herr Präsident Steinmeier, für Ihr neues Amt zusammen mit Ihrer Frau alles erdenklich Gute, viel Kraft und allzeit eine glückliche Hand.

Lassen Sie uns gemeinsam für Einigkeit und Recht und Freiheit streiten!

Vielen Dank.

Stand 22.03.2017

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