Bundesratspräsidentin sprach zu 60 Jahren Römische Verträge vor Parlamentspräsidenten in Rom "Wir müssen für Europa eintreten!"

Foto: Malu Dreyer

© Parlamento Italiano

- Es gilt das gesprochene Wort -

Sehr geehrte Kollegin Boldrini,
sehr geehrter Kollege Grasso,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
meine Damen und Herren,

Sechszigsten Geburtstagen wohnt häufig die Tendenz inne, den Jubilar für seine Leistungen in der Vergangenheit zu preisen. Lediglich der Jubilar selbst mag innehalten und sich fragen, was die kommenden Jahre für ihn bereithalten.

Als Gratulanten können wir die Errungenschaften der Europäischen Union nicht genug herausstellen. Von einst sechs ist die Europäische Union heute auf (noch) 28 Mitgliedstaaten angewachsen. Europa ist Teil unseres Alltags geworden, ich nenne nur beispielhaft den Euro, den Schengen-Raum und die Freizügigkeit. In meiner Heimat Rheinland-Pfalz pendeln die Menschen nach Frankreich oder Belgien zur Arbeit und zum Einkaufen, wir pflegen intensive Partnerschaften im Forschungs- und Bildungsbereich und profitieren von einer engen Verwaltungskooperation bei gemeinsamen Infrastrukturprojekten.

Als Jubilare müssen wir hingegen selbstkritisch feststellen, dass wir uns am 60. Jahrestag trotz dieser europäischen Normalität mitten in einer der größten Krisen der Union befinden. Aus dem Inneren wird sie von europakritischen und nationalistischen Kräften in Frage gestellt, von außen bedroht von Terrorismus und dem Ansinnen, die Gemeinschaft zu spalten. Sie erweckt den Eindruck innerer Zerrissenheit, als sei sie den Anforderungen der sich wandelnden Zeiten nicht mehr gewachsen und wisse selbst nicht so recht, wo es in den nächsten Jahren hingehen soll. Auch ihre Attraktivität scheint zu schwinden: ein Partner steht kurz vor der Scheidung, andere (Island) verloren das Interesse bereits vor der Vermählung. Alle Zeichen scheinen mir auf eine veritable Midlife-Krise zu deuten. Wie können wir dieser begegnen?

Die Lösung kann weder ein Schritt zurück in die Vergangenheit - ins Nationale - noch ein bloßes Weiter-so sein. Beides mag zunächst vertraut und komfortabel erscheinen, ignoriert jedoch die Veränderungen in der Welt und birgt die Gefahr eines fragmentierten bzw. eines stagnierenden, auf jeden Fall eines geschwächten Europa.

Wir brauchen daher eine mutige Lösung - eine neue gemeinsame Vision für Europas Zukunft, die hilft, die derzeitige Orientierungslosigkeit zu überwinden. Das Narrativ von Frieden und wirtschaftlicher Prosperität allein trägt insbesondere nach der Wirtschafts- und Finanzkrise mit ihren sozialen Verwerfungen nicht mehr. Die Idee von Europa muss mit neuem Leben gefüllt werden. Dazu müssen wir anerkennen, dass das Streben nach Gleichheit und Solidarität, die Forderung nach wirtschaftlicher und sozialer Absicherung ebenso legitim sind wie das Streben nach Freiheit.

Europa muss zu einem echten Europa der Bürger werden - ein Raum, der den Menschen Schutz sowohl gegen innere und äußere Bedrohung als auch gegen Auswüchse und Unzulänglichkeiten des Systems bietet. Ein Europa, das transparente Entscheidungen ermöglicht und klare Verantwortlichkeiten für die Union und für die Mitgliedstaaten definiert. Wenn das Ziel definiert ist, können wir darüber nachdenken, wie wir es erreichen wollen - gemeinsam oder mit unterschiedlicher Geschwindigkeit.

Klar ist aber auch: Wir dürfen die Diskussion um die Zukunft Europas nicht den Zögerlichen und Europakritikern überlassen.

Festzuhalten bleibt: Die Europäische Union ist eine Erfolgsgeschichte, sie ist unsere Erfolgsgeschichte - das Beste, was unserem Kontinent passieren konnte. Spätestens seit Voltaire wissen wir jedoch, dass auch die beste aller möglichen Welten nicht perfekt ist. Wir sollten jetzt die Gelegenheit nutzen, sie besser zu machen.

Stand 17.03.2017

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