EU-Haushalt: Bundesrat kritisiert Einschnitte bei Agrar- und Kohäsionspolitik
Rund 1279 Milliarden Euro umfasst der geplante EU-Haushalt für die Periode 2021 bis 2027. Trotz des EU-Austritts von Großbritannien und damit verbundener Einnahmenverluste in mehrstelliger Milliardenhöhe hat die EU damit etwas mehr Geld zur Verfügung als im laufenden Finanzrahmen von 2014 bis 2020. Überwiegend kritisch und mit 164 Ziffern sehr ausführlich hat sich der Bundesrat am 6. Juli 2018 zum nächsten mehrjährigen EU-Finanzrahmen geäußert. Seine Stellungnahme übermittelt er direkt an die EU-Kommission.
EU steht vor zahlreichen Herausforderungen
Grundsätzlich einig sind sich die Länder darin, dass die EU angesichts der zahlreichen Herausforderungen wie Brexit, Flüchtlingsbewegungen und Klimawandel finanziell angemessen ausgestattet werden muss. Die enge Verknüpfung des Vorschlags mit den politischen Prioritäten der Union finden sie sinnvoll. Im Interesse der Regionen bedürfe es aber einiger Änderungen.
Einschnitte bei der Kohäsionspolitik nicht zielführend
Für nicht zielführend halten sie die finanziellen Einschnitte bei der Kohäsionspolitik. Gerade die Übergangs- und stärker entwickelten Regionen seien Wachstums- und Innovationslokomotiven für die gesamte EU. Dabei unterstreichen die Länder die Bedeutung der Strukturfonds EFRE, ESF und ELER. Sie leisteten einen erheblichen Beitrag zu den Prioritäten der EU und hätten den großen Vorteil, dass sie vor Ort in den Regionen und Kommunen wirken. Damit machen sie Europa und seine Ziele direkt bei den Menschen sichtbar. Der Bundesrat spricht sich deshalb dafür aus, den Anteil der Kohäsionspolitik am EU-Haushalt nicht zu reduzieren und weiterhin alle Regionen in der EU an der Kohäsionspolitik teilhaben zu lassen.
INTERREG-Förderung beibehalten
Ausdrücklich bedauert er die geplanten Kürzungen für INTERREG. Diese gingen zu Lasten der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit. Angesichts des fundamentalen Beitrags von INTERREG für die europäische Integration müsse die laufende Förderung mindestens beibehalten werden.
Widerstand gegen Kürzungen bei der GAP
Auf deutlichen Widerstand stoßen die geplanten Mittelsenkungen im Bereich der Gemeinsamen Agrarpolitik. Sie leiste in der gesamten EU wichtige Beiträge zu den strategischen Prioritäten der EU, betont der Bundesrat und benennt die Ziele einer intelligenten, nachhaltigen, ressourcenschonenden und wettbewerbsfähige Wirtschaft sowie Wachstum, Beschäftigung und sozialer Zusammenhalt.
Für eine Stärkung der Forschungs- und Innovationspolitik
Die beabsichtigte Stärkung der strategischen Forschungspolitik, der Innovationspolitik und des europäischen Forschungsraumes unterstützen die Länder ausdrücklich. Das Programm „Horizont 2020“ muss seiner Ansicht jedoch mit deutlich höheren Mitteln ausgestattet sein. Die geplanten Investitionen in transeuropäische Netze und vor allem auch in die grenzüberschreitende Verkehrsinfrastruktur befürworten die Länder. In diesen Bereichen werde der Europäische Mehrwert besonders sichtbar.
Investitionen in Migration nicht ausreichend
Dass die Kommission sich verstärkt auf die Migration konzentriert, befürworten sie ebenfalls. Allerdings greife die vorgeschlagene Aufstockung des Asyl- und Migrationsfonds gerade auch verglichen mit der Höhe der Investitionen in den Grenzschutz zu kurz. Für die Integration von Migrantinnen und Migranten müssten ausreichend Mittel zur Verfügung stehen. Den finanziellen Ausbau des Grenzmanagements als solchen halten die Länder für einen konsequenten und wichtigen Schritt, um den aktuellen Herausforderungen zu begegnen.
Mehr Ehrgeiz bei Umwelt und Klimaschutz
Die Auffassung der Kommission, dass in den Bereichen Umwelt und Klimaschutz ein größerer Ehrgeiz als bislang erforderlich ist, teilt der Bundesrat. Dass künftig jeder vierte Euro der EU-Ausgaben für die Verwirklichung der Klimaziele eingesetzt wird, trifft auf ebenfalls auf seine Zustimmung. Es müsse jedoch sichergestellt werden, dass neben Maßnahmen der CO2-Minderung auch Maßnahmen zur Klimafolgeanpassung unterstützt werden.
Mehrwehrsteuer-Eigenmittel abschaffen
Darüber hinaus erkennen die Länder die Bemühungen der Kommission an, durch die Reform der Eigenmittel neue Einnahmen zu generieren und damit den Austritt Großbritanniens aus der EU und die Finanzierung neuer Aufgaben zu kompensieren. Dabei teilen sie die Auffassung Brüssels, dass die Abgaben aus dem jeweiligen nationalen Bruttoinlandsprodukt weiterhin den Schwerpunkt der Einnahmen des EU-Haushaltes bilden sollten. Sie seien einfach und gerecht zu bestimmen und könnten flexibel angepasst werden. Den Vorschlag der Kommission, die Mehrwertsteuer-Eigenmittel zu vereinfachen, halten sie für einen Schritt in die richtige Richtung, bekräftigen jedoch ihre Forderung nach einer Abschaffung dieser Eigenmittel. Die Mehrwertsteuer-Eigenmittel bildeten die wirtschaftliche Situation der Mitgliedstaten nicht sachgerecht ab und seien in ihrer Berechnung sehr aufwändig.
Kommission möchte einen Haushalt der Prioritäten
Entsprechend der Kommissions-Mitteilung ist der künftige Haushalt ein Haushalt für die Prioritäten Europas: Vor allem soll sie schützen, stärken und verteidigen. Dementsprechend werden die Ansätze für Grenzschutz, Migration und Asyl auf 33 Milliarden Euro nahezu verdreifacht. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Jugend: Das Erasmus-Programm bekommt mehr als doppelt so viel Geld wie bisher. Deutlich mehr fließt auch in den Bereich Digitalisierung.
Deutlich weniger für die Agrarpolitik
Viele andere EU-Programme werden hingegen gekürzt - darunter auch die Hilfen für Landwirte und strukturschwache Regionen. Bisher standen die Agrarpolitik und die so genannte Kohäsionspolitik für 80 Prozent aller EU-Ausgaben. 2021 bis 2027 wird die EU-Agrarpolitik um rund fünf Prozent gekürzt, die Kohäsionsfonds erhalten sieben Prozent weniger.
Einführung weiterer Eigenmittel
Über die geplante Eigenmittelreform möchte die europäische Kommission drei neue Eigenmittel einführen. Sie sollen auf einem neuen Körperschaftssteuersystem, auf Einnahmen aus dem Emissionshandel und einer Plastiksteuer beruhen. Zur Vereinfachung der derzeitigen Mehrwertsteuer-Eigenmittel möchte die Kommission sie nur auf zum Normalsatz besteuerte Leistung stützen.
Neuer Strafmechanismus bei Rechtsstaatlichkeitsdefiziten
Erstmals möchte die EU-Kommission die Auszahlung der EU-Mittel an die Mitgliedstaaten davon abhängig machen, dass sie rechtsstaatliche Standards einhalten. Die endgültige Entscheidung darüber, ob einem Land wegen einer systematischen Schwächung der Justiz Gelder entzogen werden, trifft der Rat.
Stand: 06.07.2018