Die erste Sitzung des Bundesrates am 7. September 1949 Demokratischer Neuanfang mit der Länderkammer

Blick auf die Länderfahnen bei der ersten Bundesratssitzung

© Bundesrat

Um 11.12 Uhr begann sie, um 11.53 Uhr war sie vorüber. Die erste Sitzung des Bundesrates am Mittwoch, den 7. September 1949 in Bonn, dauerte gerade einmal 41 Minuten. Eine der kürzeren Sitzungen in der 75-jährigen Geschichte des Verfassungsorgans. Sie sollte, vier Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, die Umkehr zur Demokratie einleiten.

Johannes Büll, Senator aus Hamburg, war mit seinen 70 Jahren zu Beginn als Alterspräsident ausfindig gemacht worden. Ihm fiel die Aufgabe zu, die Sitzung zu eröffnen und er verdeutlichte ihre Tragweite mit dem Schiller-Zitat: „Das vollkommenste Kunstwerk ist der Bau der politischen Freiheit.“

In Bonn regnete es an diesem Tag und mit 18 Grad Celsius, so der Deutsche Wetterdienst, waren die Temperaturen frühherbstlich. In der Aula der einstigen Pädagogischen Akademie, dem Tagungsort hingegen, war es festlich. Viele schwarze Anzüge, wenig dunkle Kostüme. Das Gürzenich-Orchester Köln nahm einen Teil des kleinen Saals ein. Es spielte unter der Leitung seines Dirigenten Professor Günter Wand zu Beginn die Ouvertüre aus der Orchester-Suite in D-Dur von Johann Sebastian Bach. Vielleicht sollte die Auswahl der feierlichen Musik mit Pauken und Trompeten des gebürtigen Thüringers ein Zeichen der Verbundenheit mit den Ostdeutschen sein. Einen Monat später wurde die DDR gegründet.

Pressevertreter hinter Glas

Foto: Blick in den Plenarsaal des Bundesrates während der 1. Sitzung am 7. September 1949

Die erste Sitzung des Bundesrates am 7. September 1949

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Johannes Büll begrüßte: „Exzellenzen, Hohe Kommissare, Herren Vertreter der ausländischen Mächte, verehrte Gäste! Meine Herren Mitglieder des Bundesrats.“ Letztere saßen in den elf Blöcken des Saales (Baden, Bayern, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Württemberg-Baden, Württemberg-Hohenzollern) auf mit hellgrünem Samt bezogenen Stühlen.

Nicht zu vergessen die Pressevertreter. Sie hatten bei knappen Platzverhältnissen schwierige Arbeitsbedingungen. Die Abendzeitung sprach in ihrer Ausgabe vom 7. September 1949 von 266 Reportern und Bildberichterstattern aus mindestens acht europäischen und außereuropäischen Staaten. Ein Reporter der Abendpost mokierte sich über die „Außentribüne“, „von der die meisten Presseleute am Vormittag die erste Sitzung des Bundesrates durch die Fensterscheiben des Sitzungssaales als Stumm-Film ansehen durften. Die Redner gehörten zu den besten, die ich jemals nicht gehört habe.“

Bayern fühlte sich brüskiert

Der erste und zweite Bundesratspräsident - Karl Arnold (Nordrhein-Westfalen) und Hans Ehard (Bayern)

Der erste und zweite Bundesratspräsident - Karl Arnold (Nordrhein-Westfalen) und Hans Ehard (Bayern)

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Zur Aufgabe des Alterspräsidenten gehörte es auch, die Wahl des ersten Bundesratspräsidenten zu leiten. Auf den hatten sich die Länderregierungen bereits am Vorabend geeinigt. Es sollte der 48jährige Ministerpräsident aus Nordrhein-Westfalen, Karl Arnold (CDU), sein. Er wurde in der Sitzung von fast allen Ländern gewählt - mit Ausnahme von Bayern - das sich enthielt. Der Freistaat fühlte sich bei der Kandidaten-Kür übergangen. Der bayerische Ministerpräsident Dr. Hans Ehard beklagte sich in der Münchener Abendzeitung vom 10. September 1949 bitter: „Es ist kein Zweifel, dass der Start in Bonn mit einer ganz bösen Brüskierung Bayerns begonnen hat.“ Später wurde bei der Königsteiner Vereinbarung vom 30. August 1950 festgelegt, dass man bei der Besetzung des jährlich wechselnden Bundesratspräsidenten nach absteigender Einwohnerzahl vorgeht. Im Jahr darauf übernahm somit Bayern die Präsidentschaft.

Karl Arnold erweiterte die Begrüßung in seiner Antrittsrede um die „Damen“. Denn bei der vorausgegangen Abgleichung der Anwesenheitsliste stellte sich heraus, dass ein paar Mitglieder aus gesundheitlichen oder anderen Gründen nicht angereist waren. Und so vertrat den verhinderten Dr. Karl Spieker aus Nordrhein-Westfalen die Kultusministerin Christine Teusch: die einzige Frau unter insgesamt 43 männlichen Mitgliedern - vertretungsweise.

Arnold leitete Neuanfang ein

Blick auf das Präsidium

Präsidium in der 1. Bundesratssitzung | Minister Albertz (l.), Präsident Dr. h c. Arnold (m.), Schriftführer Minister Dr. Stein (r)

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Die Länder, repräsentiert durch ihre Regierungen, bezeichnete Arnold als Machtfaktoren, die nach der totalen Niederlage als erstes wieder in Erscheinung getreten seien. Er betonte, dass die Bedeutung des Begriffs Machtfaktor nichts mit vergangenen Zeiten zu tun habe und fuhr fort: „In einem Bundesstaat, in dem die Ausführung der Bundesgesetze weitestgehend Sache der Länder ist, gewährleistet der Bundesrat einen arbeitsfähigen Gesamtstaat. Er sichert der Gesetzgebung den Sachverstand der Landesregierungen und über die Ausschüsse denjenigen ihrer Beamtenschaft.“

Professor Dr. Thomas Jäger, Politologe an der Universität Köln, ordnet die Rede folgendermaßen ein: Arnold gehe vor allem auf die Möglichkeiten ein, die Interessen der Länder im neuen politischen System der Bundesrepublik Deutschland zu vertreten. Er stelle dies in die historische Tradition des 1871 geschaffenen Bundesrates, weise aber gleichzeitig darauf hin, dass neue Aufgaben zu bewältigen seien und gänzlich andere außenpolitische Umstände bestünden. Jäger weiter: "Mit Blick auf das Umsetzbare, Wohlstand und Rechtsstaatlichkeit zu fördern, war das aus seiner Sicht die grundlegende Aufgabe der nunmehr Verantwortlichen. Das formulierte einen Neuanfang vor allem auch vor der Aufgabe, die Vertriebenen in den neuen Staat zu integrieren. Hier sah er die Länder besonders gefordert."

Die erste Sitzung am 7. September 1949 war voller Impulse für eine politische Freiheit im Sinne von Friedrich Schiller. Es wurden große Ziele formuliert im kleinen Raum und in geballter Zeit. Die Sitzung klang aus mit dem 2. Satz der Bach-Suite, der nachdenklich stimmenden, emotionalen Air.

75 Jahre Bundesrat

Grafik: Logo zu 75 Jahre Bundesrat

Das Logo zu "75 Jahre Bundesrat - Einheit in Vielfalt"

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Im Jahr 2024 begeht der Bundesrat sein 75-jähriges Jubiläum. Am 12. Februar 2021 fand die 1000. Sitzung statt. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hielt eine Ansprache und würdigte den Bundesrat als "verfassungspraktischen Alleskönner" . Inzwischen gab es 1043 Sitzungen, 68 Präsidenten und 3 Präsidentinnen. Doch wie kam das Grundgesetz in die Welt? Dieser und anderen Fragen ging im April 2024 die Tagung "Das improvisierte Parlament" nach.

Stand 03.05.2024

Das historische Original-Protokoll:

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